Bürgerrat Klima startet durch
„Wie gestalten wir Klimapolitik: Gut für uns, gut für unsere Umwelt und gut für unser Land?“ Das will der erste Bürgerrat Klima herausfinden und Lösungen für die Klimakrise erarbeiten. Ab Ende April 2021 tagen deshalb 160 zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger und beraten gemeinsam, wie Deutschland die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens noch erreichen kann – unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Gesichtspunkte. Die Weichenstellungen in der Klimafrage müssen von allen mitgetragen werden. Dabei werden sie von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft informiert.
Das Ergebnis: Ein Katalog mit Empfehlungen an die Politik, der vor den Wahlen allen Parteien übergeben wird mit der Aufforderung, die Empfehlungen zu prüfen und sich für ihre Umsetzung in der kommenden Legislaturperiode einzusetzen. Weitere Informationen zum Bürgerrat Klima finden sich hier:
www.buergerrat-klima.de. Ein sehr wichtiges Projekt, wie ich finde, dass Politik und Bürgerinnen und Bürger näher zusammenbringt und gleichzeitig Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit erarbeitet.
Erfahrungen aus und mit dem allerersten Bürgerrat vor anderthalb Jahren schildert Frau Dr. Brill aus Erlangen, die als Teilnehmerin dabei war.
Wie bewerten Sie die Ergebnisse des ersten Bürgerrates 1,5 Jahre nach Ihrer Teilnahme?
Auch heute noch stehe ich voll hinter den verabschiedeten Ergebnissen des ersten Bürgerrats, insbesondere, dass unsere parlamentarische-repräsentative Demokratie durch Elemente der Bürgerbeteiligung ergänzt werden muss, wenn unsere Demokratie eine wirkmächtige Zukunft haben soll.
"Ich finde die repräsentative Auswahl an Bürgern entscheidend und ich glaube fest daran, dass es auch bei zukünftigen Bürgerräten ein wachsendes Interesse der eingeladenen Bürger geben wird, sich zu beteiligen."
Wurden die Ergebnisse des ersten Bürgerrates bislang öffentlich diskutiert oder sogar umgesetzt?
Dass bereits ein zweiter Bürgerrat getagt hat, der diesmal durch den Bundestag zum Thema „Deutschlands Rolle und der Welt“ angefragt worden war, sehe ich als einen ersten Meilenstein in der Umsetzung der Empfehlungen des ersten Bürgerrats in Leipzig. Insbesondere, dass der Bundestag diesem Format eine Chance und einen Auftrag gegeben hat, zeigt mir, dass auch die Parlamentarier und hier insbesondere Herr Schäuble, der ja die Ergebnisse in den Bundestag übermittelt hat und ein starker Fürsprecher für den Bürgerrat ist und war, die Notwendigkeit für mehr Bürgerbeteiligung an gesamtgesellschaftlichen Entscheidungsprozessen erkannt haben.
Was könnte am Bürgerrat verbessert werden?
Ich finde die repräsentative Auswahl an Bürgern entscheidend und ich glaube fest daran, dass es auch bei zukünftigen Bürgerräten ein wachsendes Interesse der eingeladenen Bürger geben wird, sich zu beteiligen, um für die Gemeinschaft einen Dienst zu leisten. Ich glaube, dass es eine Bereicherung war, in diesem Jahr das Onlineformat erproben zu „müssen“, weil dadurch die Teilnahmehürden noch niederschwelliger wurden.
Die Experten-Referate sind ein unabdingbarer Baustein, um allen Bürgerräten das entsprechende Hintergrundwissen zu vermitteln, aus dem sich dann eine Empfehlung formen kann. Die Auswahl der Experten ist dabei ein vulnerabler Punkt.
Sehen Sie Potenzial darin, dass die Bürgerräte sich auf einzelne Themen, wie z.B. den Klimawandel konzentrieren?
Ein Bürgerrat, der ja nicht „kostenneutral“ ist, sollte immer dann einberufen werden, wenn es um Themen geht, die eine hohe gesellschaftliche Sprengkraft besitzen und zu denen es festgefahrene Fronten gibt. In solchen Fällen – so ist jedenfalls meine Wahrnehmung – tendieren die gewählten Parlamentarier dazu, keine substanziellen Entscheidungen zu treffen, weil die Furcht vor Missbilligung größerer Gesellschaftsgruppen das Eingehen eines Wagnisses verhindert. Wenn es dann einen Bürgerrat gibt, der durch umfassende Experteninformationen und Beratung untereinander zu unbequemen Entscheidungen rät, haben auch die gewählten Parlamentarier eine fundierte Entscheidungshilfe.
Im besten Falle können im Rahmen eines Volksentscheids die Empfehlungen eines Bürgerrats als Informationsgrundlage allen Bürgern zugänglich gemacht werden.
Würden Sie der Aussage zustimmen, dass Bürgerräte jetzt noch notwendiger sind als vor 1,5 Jahren, was die Formulierung von Vorschlägen und Ideen aus der Gesellschaft an die Politik betrifft?
Die Veränderung von gesellschaftlichen Strukturen beschleunigt sich rasant und ebenso die Ausrichtung der Menschen an kollektiven Werten. Trotzdem glaube ich, dass die Menschen, um sinnerfüllt leben zu können, sich an individuellen Werten orientieren müssen, die nicht von Werbung und Kommunikationsmedien vorgekaut werden. Damit Staatsfrauen und Staatsmänner ein Gespür dafür bekommen, wohin sie das Staatsschiff im Sinne ihrer Bürger lenken sollen, sind Bürgerräte und andere Beteiligungsformate bei grundsätzlichen Fragestellungen heute wichtiger denn je.
Denken Sie, dass die Bürgerräte eine Zukunft haben (sollten)?
Wenn unsere Demokratie eine Zukunft haben soll, sind Bürgerräte ein Lebenselixier für die Meisterung von gesellschaftliche Herausforderungen.
Haben Sie Tipps für die Bürgerinnen und Bürger, die zukünftig an Bürgerräten teilnehmen werden?
Um es mal ganz persönlich zu sagen: Du bist wichtig! Egal welches Alter, welches Einkommen oder welcher Bildungsstand: Deine Fähigkeit, bisher unbekannte Sachverhalte aufzunehmen und andere Meinungen anzuhören, diese Informationen in einen Zusammenhang mit Deinen persönlichen Werten zu bringen und daraus im Dialog mit anderen Handlungsempfehlungen zu formulieren, das ist ein kreativer Prozess, für den deine Einzigartigkeit gebraucht wird.