Wenn Gerichte nicht mehr helfen
25-11-2016 – Der Bundesrat hat sich am 25. November 2016 mit der Frage befasst, ob ein Patientenentschädigungsfonds eingerichtet werden soll. Das Thema haben Bayern und Hamburg gemeinsam auf die Tagesordnung gebracht. Die beiden Bundesländer wollen mit dem Patientenentschädigungsfonds die Rechte von Patientinnen und Patienten stärken. Ich setze mich schon seit längerem für einen Patientenentschädigungsfonds ein und unterstütze deshalb ausdrücklich die Initiative des Bundesrates.
Was ist ein Patientenentschädigungsfonds?
Ein Patientenentschädigungsfonds ist ein staatlich finanzierter Fonds. Patientinnen und Patienten sollen Gelder aus dem Fonds erhalten, wenn sie Opfer eines ärztlichen Behandlungsfehlers wurden und vor Gericht nicht nachweisen können, dass der Behandlungsfehler die Ursache für ihre Gesundheitsschäden ist.
Aktuell gilt in Deutschland bei Behandlungsfehlern das Prinzip der Individualhaftung. Das bedeutet, dass derjenige für den Schaden aufkommt, der ihn verursacht hat. Bei Behandlungsfehlern also der behandelnde Arzt – oder dessen Versicherung. Das Prinzip ist in der Regel auch sinnvoll. Denn es stärkt das Verantwortungsbewusstsein der Ärzte. Wer am Ende haften muss, der ist schon zu Beginn achtsam.
Aber das Prinzip stößt in Deutschland an seine Grenzen. Denn zunächst muss der betroffene Patient nachweisen, dass die gesundheitlichen Probleme, die bei ihm auftreten, von dem Behandlungsfehler kommen. Der Patient muss also nachweisen, dass der Behandlungsfehler die Ursache für die gesundheitlichen Beschwerden ist. Diese Kausalität muss mit einer weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit gegeben sein. Und das ist in der Realität schwer nachweisbar.
Ein Patientenentschädigungsfonds wäre eine große Hilfe für all die Patientinnen und Patienten, die aktuell leer ausgehen. Denn sie würden eine Entschädigung aus dem Fonds erhalten, auch wenn sie diese Kausalität vor Gericht nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit nachweisen können.
Der Patientenentschädigungsfonds im Bundestag
Nach der Bundesratsinitiative liegt der Ball nun bei der Bundesregierung. Ob die Bundesregierung sich jedoch mit dem Anliegen befassen wird, ist noch offen. Der Bundestag jedenfalls hat sich bereits mehrfach mit der Frage beschäftigt. Zuletzt in einer Petition. Der Petent hatte einen Patientenentschädigungsfonds gefordert, der ergänzend zum Prinzip der Individualhaftung eingeführt werden soll. Er soll für die Fälle gelten, die vor Gericht keine Entschädigungszahlungen erstreiten können. Denn oftmals haben Opfer von Behandlungsfehlern große finanzielle Einbußen hinzunehmen, zum Beispiel weil sie berufsunfähig werden. Eine Entschädigung wäre dann zumindest der Versuch eines Ausgleichs des erlebten Unrechts. Die SPD-Fraktion des Bundestags hat die Petition unterstützt. Sie setzt sich für die Einrichtung eines Patientenentschädigungsfonds ein. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich aber gegen das Anliegen gestellt. Am Ende konnte deshalb das Anliegen des Petenten nicht weiterverfolgt werden.
Auch an anderer Stelle wurde die Einführung eines Patientenentschädigungsfonds bereits diskutiert. Als Gründe dagegen wurden aber immer wieder das Prinzip der Individualhaftung (das nicht aufgelöst werden soll) und die Kosten für die Gesellschaft genannt.
Podiumsdiskussion mit der Notgemeinschaft Medizingeschädigter e.V.
Mitte Oktober 2016 war ich zu Gast bei einer Podiumsdiskussion, die von der Notgemeinschaft Medizingeschädigter e.V. in Erlangen veranstaltet wurde. Der Verein wurde 1996 gegründet und setzt sich seitdem für die Rechte von Patientinnen und Patienten ein, die Opfer von Behandlungsfehlern wurden. Während der Podiumsdiskussion wurde deutlich, wie wichtig eine Fondslösung ist, damit auch diejenigen entschädigt werden, die bislang selbst auf den Folgekosten des Behandlungsfehlers sitzen bleiben.
Bundesratsinitiative unterstützen: Patientenentschädigungsfonds muss kommen
Laut Daten der Krankenkassen konnte im Jahr 2012 bei 2.010 Patientinnen und Patienten die Schuldfrage nicht geklärt werden. Sie alle würden von einer Fondslösung profitieren.
Und ein Blick über die Ländergrenze hinaus zeigt, dass Patientenentschädigungsfonds sehr gut funktionieren können. In Österreich gibt es einen solchen Fonds. Er wird von den österreichischen Bundesländern finanziert. Wenn ein Patient Gelder aus dem Fonds erhalten hat, später aber auch gerichtlich eine Entschädigung erstreitet, muss er die Gelder aus dem Fonds wieder zurückzahlen. So wird verhindert, dass Patienten doppelt profitieren.
Auch in Frankreich gibt es eine Fondslösung. Finanziert wird der französische Fonds durch die gesetzliche Krankenversicherung. Entschädigungszahlungen erhalten all die Patientinnen und Patienten, die nicht durch das Haftungsrecht erfasst sind, also auch zufällige Behandlungsschäden.
Und auch in Deutschland sind Fonds keine Unbekannten. Die Contergan-Stiftung entschädigt Betroffene des Contergan-Skandals. Menschen, die durch Blutproben mit HIV infiziert wurden, erhalten Gelder aus einem weiteren Fonds und das Anti-D-Hilfsgesetz regelt Entschädigungszahlungen für Menschen, die in der ehemaligen DDR durch die Einnahme von Arzneimitteln geschädigt wurden.
Ich halte einen Patientenentschädigungsfonds für eine sinnvolle und wichtige Ergänzung unseres Prinzips der Individualhaftung. Wer Opfer eines Behandlungsfehlers wurde, soll eine Entschädigung dafür bekommen. Und zwar unabhängig davon, ob dem Arzt eine Schuld nachgewiesen werden kann oder nicht. Ich werde mich deshalb auch in Zukunft für den Patientenentschädigungsfonds einsetzen.