Warum Opposition, SPD?
27-09-2017 In den vergangenen Tagen erreichen mich viele Nachfragen, warum die SPD nach der Niederlage bei der Bundestagswahl am 24.09. angekündigt hat in die Opposition zu gehen. Diese Nachfragen sind oft mit Unverständnis für unsere Entscheidung verbunden. Deshalb gibt es hier zusätzlich zu meiner Veröffentlichung „
SPD muss Verantwortung übernehmen und Opposition führen“ vom 25.09. ein kurze Erklärung warum ich es für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie für unverzichtbar halte, dass die SPD jetzt die Führung der Opposition im Bundestag beansprucht und so Verantwortung übernimmt.
Große Koalitionen müssen Ausnahmen sein
Am Anfang steht die Feststellung, dass die bisherige Koalition aus CDU, CSU und SPD abgewählt wurde. Dafür sprechen die immensen Verluste der Koalitionsparteien einerseits. Andererseits sind auch die starken Ergebnisse vor allem von AfD und FDP deutliche Signale gegen eine Neuauflage dieser Koalition. Ich bin der Auffassung, dass Große Koalitionen grundsätzlich die Ausnahme sein sollten. Sie schwächen die für das Funktionieren unserer Demokratie wichtige Opposition und stärken die politischen Ränder. Das sehen wir seit Jahren ganz deutlich beispielsweise in Österreich, wo es seit Jahrzehnten solche Koalitionen gibt. Dort erreichen die Rechtspopulisten der FPÖ in Umfragen bis zu 30 Prozent. Auch unsere anderen europäischen Nachbarn leiden unter erstarkenden rechten Parteien. Das ist eine gefährliche Situation und das haben wir auch im Wahlkampf immer wieder deutlich gemacht.
Wir übernehmen Verantwortung für unsere Demokratie
Der Einzug der sogenannten Alternative in den Bundestag mit gut 13 Prozent der Stimmen ist eine historische Zäsur für unsere Demokratie. Die sogenannte Alternative ist nicht nur eine rechtspopulistische, sondern eine in weiten Teilen offen rechtsextreme Partei. Sie hat den politischen Diskurs in unserer Gesellschaft bereits stark verändert. Der Ton ist rauer geworden, Grenzen werden bewusst überschritten. Es wird gehetzt und zur Jagd aufgerufen. Das bleibt nicht ohne Folgen: Auch die politisch motivierte Gewalt hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das Scheitern der Weimarer Republik führt uns deutlich vor Augen, wie verletzlich Demokratien sind, wenn sie gesellschaftlich nicht breit verankert sind. Davon sind wir vermutlich noch ein gutes Stück entfernt. Aber es ist unsere Pflicht, alles für den Schutz unserer Demokratie zu tun und es nie wieder soweit kommen zu lassen. Gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben das in unserer Geschichte leidvoll erfahren.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Opposition ist es neben der Kontrolle der Regierungsarbeit auch zur Politik der Regierungsmehrheit vernünftige Alternativen zu entwickeln. Das werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in den kommenden Jahren verantwortungsvoll tun. Und genau dazu ist die sogenannte Alternative nicht Willens. Außerdem sieht die Geschäftsordnung des Bundestages für die größte Oppositionspartei viele Sonderrechte vor. Angenommen die SPD würde nicht in die Opposition gehen: Dann stünde der AfD als Oppositionsführerin das wichtige Recht zu, als erstes nach einer der Mehrheitsfraktion zu reden. Als größte Oppositionsfraktion hätte die sogenannte Alternative außerdem Zugriff auf wichtige Positionen, wie zum Beispiel den Vorsitz des Haushaltsausschusses.
Wer einen neuen Schießbefehl an deutschen Grenzen fordert, gegen Homosexuelle, Geflüchtete und die „Lügenpresse“ hetzt, stolz auf die Taten deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen sein will, den Holocaust leugnet und das Existenzrecht Israels anzweifelt – der darf nicht die Opposition im Bundestag anführen. Ließen wir das zu, würden wir die sogenannte Alternative in die Lage versetzen den Bundestag als Oppositionsführerin für ihre Zwecke zu missbrauchen, den Diskurs weiter zu verschärfen und nach rechts zu drängen. Deshalb ist es nicht nur eine verantwortungsvolle sondern eine für unsere Demokratie und unsere liberale Gesellschaft überlebenswichtige Entscheidung der SPD, in der jetzigen Situation die Rolle der Oppositionsführung zu beanspruchen.