GroKo? NoGroKo? Die Basis hat das letzte Wort!
23-01-2018 Wird es eine Neuauflage der Großen Koalition geben oder nicht? Mit einer Mehrheit von 56 Prozent hat der
SPD-Sonderparteitag am 21. Januar in Bonn für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien gestimmt. Das Ergebnis spiegelt die weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber einer Neuauflage dieser Koalition wieder. Es ist gleichzeitig eine klare Botschaft an die Unterhändler aller drei Parteien. Denn unmissverständlich ist damit auch, dass die SPD-Mitglieder einer Neuauflage der Koalition ohne deutliche Verbesserungen in Koalitionsverhandlungen kaum zustimmen werden.
Seit der Bundestagswahl habe ich immer wieder meine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber einer neuen Koalition mit CDU und CSU deutlich gemacht. Die beteiligten Parteien haben bei der Wahl beinahe 14 Prozentpunkte an Zustimmung eingebüßt. Eine Neuauflage wäre zudem wohl Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, die dann auch die Oppositionsführung im Bundestag übernehmen würden und schon jetzt offen
von „Krieg“ im Parlament sprechen. Das dürfen wir weder vergessen noch verharmlosen. Aber der Rückzug der FDP aus den Jamaica-Gesprächen hat die SPD in diese Situation gedrängt. Nach dem Beschluss des Parteitags zur Aufnahme von Koalitionsgesprächen ist es jetzt unsere Verantwortung das Beste für die Bürgerinnen und Bürger daraus zu machen und möglichst viel sozialdemokratische Politik in Koalitionsverhandlungen durchzusetzen. Ob das Ergebnis dann tatsächlich für eine Koalition reicht, entscheiden am Ende die SPD-Mitglieder.
Der Ausgang ist dabei tatsächlich offen: Nach wie vor sehe ich in den
Sondierungsergebnissen auch inhaltlich noch keine ausreichende Basis für eine erneute Koalition mit CDU und CSU. Das deutliche Bekenntnis zur Weiterentwicklung der Europäischen Union und mehr Investitionen in Europa, der verstärkte Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Steueroasen in und außerhalb der EU wie auch die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sind beispielsweise Pluspunkte der aktuellen Vereinbarung zwischen SPD, CDU und CSU. Drängende gesellschaftliche Probleme werden aber nicht angegangen, weil es zwischen den möglichen Koalitionspartnern keinen Konsens gibt oder CDU und CSU bisher nur zu Formelkompromissen anstelle echter Lösungen bereit waren.
Das wird beispielsweise in der Rentenpolitik deutlich, wo aktuell nur der status quo beschrieben und eine echte Lösung auf die lange Bank geschoben wird. Der Einstieg in die Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege fehlt völlig. Angesichts von sieben Milliarden Euro Beitragsschulden in der GKV und einer steigenden Versichertenzahl im Notlagen- und Basistarif der Privaten Krankenversicherung wäre der Einstieg ebenfalls sachlich dringend geboten. Als Gesundheitspolitikerin kann ich dazu nur sagen: Da müssen sich die Unionsparteien dringend bewegen! Das gilt übrigens auch für das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit und die gesetzliche Solidarrente. Beides sind wichtige SPD-Forderungen, die bereits im letzten Koalitionsvertrag vereinbart waren, dann aber von CDU und CSU entgegen der Vereinbarung blockiert wurden. Dass sie jetzt mit starken Einschränkungen im Sondierungspapier stehen, ist für mich nicht akzeptabel. Die Unionsparteien stehen hier in der Bringschuld.
Wie auch immer das Ergebnis aussehen wird, die SPD lebt Demokratie. Davon können sich andere Parteien gleich mehrere Scheiben abschneiden. Der Bonner Parteitag hat gezeigt, wie die SPD entscheidende Fragen sachlich kontrovers und dabei immer mit Respekt voreinander diskutiert. Auch im SPD Unterbezirk Erlangen haben wir die Debatte über das Für und Wider der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen auf einem mitgliederoffenen Parteitag ausführlich und respektvoll miteinander geführt, am Ende stand eine klare Positionierung gegen eine Neuauflage der Koalition. Diese Streitkultur macht mich stolz. Denn die offene Debatte miteinander, der gegenseitige Austausch und das gemeinsame Abwägen von Argumenten, ist die Grundlage unserer Demokratie – in unserer Partei und in unserer ganzen Gesellschaft.