Diskussion zur PrEP: HIV-Prävention muss in den Vordergrund rücken
16-07-2018 Laut UNAIDS leben weltweit fast 37 Millionen Menschen mit HIV. Kaum ein anderes Thema hat im letzten Jahr mehr Aufsehen im HIV-Bereich erregt als der Schutz vor einer HIV-Infektion durch die so genannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP), also einer HIV-Prophylaxe mit Medikamenten. Die Erlanger
SPD-Abgeordnete Martina Stamm-Fibich war am 16. Juli 2018 Gast bei der
SPDqueer Mittelfranken, um über die Chancen und Risiken von PrEP zu sprechen.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit anschließendem Gespräch wurden die Vor- und Nachteile der medikamentösen HIV-Prophylaxe diskutiert. Neben Martina Stamm-Fibich saß Manfred Schmidt mit auf dem Podium. Er ist Fachbereichsleiter des Beratungszentrums der
AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth e.V.
„PrEP ist in der aktuellen Debatte um HIV eine große Chance, weil Menschen Vorsorge treffen können“, so Martina Stamm-Fibich. Weltweit steigen die Zahlen von Infektionen an. Vor allem in Osteuropa und Zentralasien liegen die Steigerungsraten bei 60 Prozent. Und damit beängstigend hoch. Weltweit haben sich im Jahr 2016 1,8 Millionen Menschen neu mit dem HI-Virus infiziert. Die bisherigen Schutzmaßnahmen durch Aufklärung, Gebrauch von Kondomen und Safer-Use-Regeln bei intravenösem Drogenkonsum reichen ganz offensichtlich nicht aus.
Um die Neuinfektionsrate von 5.000 Infektionen pro Tag zu senken, wurden die Ziele des gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS) definiert. Die Ziele sind mit der knappen Formel 90-90-90 benannt und sollen bis 2020 erfüllt werden. 90 Prozent der HIV-infizierten Menschen sollen von ihrer HIV-Diagnose wissen. Davon sollen 90 Prozent eine antiretrovirale Therapie erhalten und wiederum 90 Prozent von ihnen sollen eine nachhaltige Senkung der Viruslast erreichen. Das Ziel haben bisher aber nur sieben Länder erreicht: Botswana, Dänemark, Großbritannien, Island, Kambodscha, Schweden und Singapur. In Deutschland lagen die Zahlen Ende 2016 bei 85-84-93.
Angesichts dieser ambitionierten Ziele und den erschreckend hohen Neuinfektionsraten ist die PrEP für viele das neue Wundermittel. Aber hält das Medikament, was es verspricht? In den USA ist PrEP seit 2012 zugelassen. Dort sinkt seitdem die Zahl der diagnostizierten Neuinfektionen stetig. Seit 2014 empfiehlt die WHO PrEP ausdrücklich als Schutz vor einer HIV-Infektion. Wird das Medikament täglich eingenommen, gibt es weltweit bislang nur drei Berichte über Durchbruchsinfektionen mit HIV. Vor allem Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), rät die WHO zur Einnahme des Medikaments. In Deutschland ist das Medikament seit 2016 zugelassen. Die Kosten in Höhe von 50 bis 70 Euro im Monat müssen Betroffene aber selbst tragen. Dazu kommen knapp 400 Euro Kosten für ärztliche Begleitung und Laboruntersuchungen im Quartal.
Um HIV einzudämmen, ist PrEP ganz offenbar ein probates Mittel. „PrEP ist eine Möglichkeit unser Ziel, die 90-90-90-Formel, zu erreichen. Aber um das große Potenzial tatsächlich ausschöpfen zu können und keine neuen Probleme zu schaffen, brauchen wir ein Gesamt-Präventionskonzept, in dem auch die klassischen Präventionsangebote abgebildet und gestärkt werden.“
Und bevor eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen überhaupt diskutiert werden kann, müssen offene Fragen geklärt werden. Welche Risikogruppen sollen erreicht werden? Wie können sie erreicht werden? Verändert sich durch die Einnahme von PrEP das Sexualverhalten und fördert man damit die Übertragung anderer Geschlechtskrankheiten? Und schließlich: Sollen die Kosten von den Krankenkassen erstattet werden. Und wenn ja, für wen werden die Kosten erstattet? Werden die Kosten nur für homosexuelle Menschen erstattet oder können auch heterosexuelle Menschen von den Möglichkeiten profitieren? Diese Fragen lassen sich am besten in einer Studie klären. „Ich setze mich deshalb für eine solche Studie ein, die ganz konkret das Potenzial von PrEP untersucht“, so die Erlanger Bundestagsabgeordnete.