Benachteiligung für pflegebedürftige Geschwister aufheben
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung einstimmig beschlossen eine Petition an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zu überweisen. Das BMG soll prüfen, ob der zeitliche Hilfebedarf von pflegebedürftigen Geschwistern zusammengerechnet werden kann.
Um Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen können, müssen Pflegebedürftige täglich eine bestimmte Zeit von der Pflege anderer abhängig sein. Bislang gilt z. B. für die Pflegestufe I, dass pro Tag mehr als 45 Minuten auf Körperpflege, Ernährung und Mobilität verwandt werden. Dabei wird der Zeitaufwand für jede pflegebedürftige Person einzeln berechnet. So soll verhindert werden, dass sich mehrere Personen zusammentun, die einzeln nicht die Voraussetzungen erfüllen. „Familien stellt diese Regelung aber vor große Probleme", sagt Martina Stamm-Fibich, die für die SPD zuständige Berichterstatterin. „Denn Eltern, die mehre pflegebedürftige Kinder haben, welche einzeln nicht die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfüllen, werden massiv benachteiligt".
Ein einfaches Beispiel macht dies deutlich: Wenn zwei pflegebedürftige Kinder jeweils einen Hilfebedarf von 30 Minuten täglich haben, erfüllt keines der beiden Kinder einzeln die Voraussetzungen. Zusammengerechnet aber beträgt der tägliche Hilfebedarf 60 Minuten. Die Voraussetzungen für Pflegestufe I wären also erfüllt, wenn der Hilfebedarf beider Geschwister addiert wird. „Denn Geschwister schließen sich nicht zu einer Gemeinschaft zusammen – sie stehen qua Geburt in einer besonderen Beziehung", meinen die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion im Petitionsausschuss.
Der Prüfauftrag an das BMG lautet, die Benachteiligung von Familien mit mehr als einem pflegebedürftigen Kind zu beseitigen. „Wir brauchen eine Lösung, die der Realität von Familien mit pflegebedürftigen Kindern gerecht wird", fordert Stamm-Fibich. Zumal im Zuge des geplanten Pflegestärkungsgesetzes II ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden soll, der fünf Pflegegrade anstelle von drei Pflegestufen definiert. Dann muss auch geprüft werden, ob hinsichtlich des Hilfebedarfs von Geschwistern mit Behinderung eine Neuregelung sinnvoll ist.
Im Dezember 2010 hat der Petitionsausschuss bereits eine Petition unterstützt, deren Anliegen 2012 mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung umgesetzt wurde. Mit dem Gesetz wurde die sogenannte Additionspflege eingeführt, die die Rentenversicherungspflicht für nicht erwerbsmäßig Pflegende ausweitet. Leistungen zur sozialen Sicherung erhielten Pflegepersonen bis 2012 nur dann, wenn sie eine pflegebedürftige Person (mindestens Pflegestufe I) mehr als 14 Stunden wöchentlich pflegten. Seit 2012 gilt diese Regelung auch für Personen, die mehr als eine pflegebedürftige Person pflegen und nur durch Addition des Pflegeaufwands auf die nötigen 14 Wochenstunden kommen.