Fraktion vor Ort: Was ändert sich in der Pflege?
11-07-2017 Die
SPD hat die Stärkung der Pflege zu einem besonderen Schwerpunkt dieser Legislatur gemacht. Die Leistungen der Pflegeversicherung haben wir mit den
Pflegestärkungsgesetzen erheblich ausgeweitet. Was ändert sich nun in der Pflege? Um diese Frage ging es bei der gemeinsamen Fraktion vor Ort-Veranstaltung von
Rita Hagl-Kehl und mir in Waldkirchen.
Die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung und die Zunahme des Anteils betagter Menschen an der Gesamtbevölkerung ist ein Zeichen für unseren gesellschaftlichen Fortschritt. Die zunehmende Zahl hochaltriger Menschen stellt die Pflegepolitik vor demografische und fachliche Herausforderungen. Pflege geht uns alle an und die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung ist ein wesentlicher Baustein, um auch in Zukunft gute Pflege gewährleisten zu können und das Vertrauen in eine gute Versorgung im Alter zu stärken. Dabei hat die SPD in dieser Legislatur viele deutliche Verbesserungen für Pflegende, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erreicht.
Die Pflegestärkungsgesetze sind darauf ausgerichtet, die Versorgung für alle von Pflegebedürftigkeit betroffenen Menschen in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Bei einer Vielzahl der Leistungen der Pflegeversicherung sind die Voraussetzungen vereinfacht, der Umfang erweitert und die Leistungsbeträge erheblich angehoben worden. Besonders bedeutsam ist, dass durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff mittelfristig bis zu 500.000 Menschen zusätzlich von der Pflegeversicherung erfasst sind und von ihren Leistungen profitieren werden.
Insgesamt weiten wir mit den Pflegestärkungsgesetzen den Leistungsumfang der sozialen Pflegeversicherung um mehr als 20 Prozent aus. Das sind gut 5 Milliarden Euro pro Jahr! Und wir sorgen dafür, dass die Hilfe für Pflegebedürftige und ihre Familien passgenauer wird. Denn gute Pflege gibt es nicht von der Stange, sie muss wie ein Maßanzug auf die persönliche Situation zugeschnitten sein.
Außerdem haben wir die Kontrollen verschärft, um Pflegebedürftige, ihre Familien und die Pflegekräfte besser vor betrügerischen Pflegediensten zu schützen. Für Betrug in der Pflege darf es keine Toleranz geben.
Erstes Pflegestärkungsgesetz (PSG I)
Mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz erhalten alle rund 2,7 Millionen Pflegedürftigen in Deutschland bereits seit dem 1.1.2015 mehr Leistungen. Die Leistungen für die ambulante Pflege wurden um rund 1,4 Mrd. Euro erhöht, für die stationäre Pflege um rund 1 Mrd. Euro.
Auch die Leistungen für die Pflege zu Hause haben wir deutlich verbessert, pflegende Angehörige werden jetzt besser entlastet. Gleiches gilt für die Unterstützungsangebote für die Pflege zu Hause und auch die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen. Zudem haben wir einen Pflegevorsorgefonds eingerichtet.
Die Pflegestärkungsgesetze heben die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte an. Dadurch stehen dauerhaft fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro fließen in den Pflegevorsorgefonds.
Verbesserungen für die Pflege zu Hause
Die meisten Pflegebedürftigen wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause in der vertrauten Umgebung gepflegt zu werden. Und mehr als zwei Drittel von ihnen wird dieser Wunsch erfüllt – meist sorgen Angehörige oder ambulante Pflegedienste für sie. Um die Pflege zu Hause besser zu unterstützen, erhöhte das PSG I die Leistungen für die häusliche Pflege um rund 1,4 Milliarden Euro. Zugang zu allen ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung gibt es ab Pflegestufe 0.
Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige.
Jede Pflegesituation ist anders. Die pflegenden Angehörigen sollen deshalb besser in ihrer konkreten Situation entlastet werden. Unterstützungsangebote haben wir ausgeweitet und die Leistungen können passgenau in der konkreten Situation eingesetzt werden. Damit steht auch mehr Geld für Betreuung zur Verfügung.
Unterstützungsleistungen wie die Kurzzeit-, Verhinderungs- sowie Tages- und Nachtpflege wurden ausgebaut und sind jetzt besser miteinander kombinierbar. Zudem können mehr zusätzliche niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote in Anspruch genommen werden, zum Beispiel für Fahr- und Begleitdienste, Einkaufs- oder Botengänge. Auch die Zuschüsse für nötige Umbaumaßnahmen sowie zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel steigen deutlich.
Mehr Hilfe für demenziell Erkrankte
Vor dem PSG I hatten Menschen, die zwar in ihrer Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sind, deren Pflegebedarf aber unterhalb der Pflegestufe I liegt (sogenannte Pflegestufe 0), nur einen eingeschränkten Leistungsanspruch. Im PSG I erfuhr dieser eine maßgebliche Erweiterung: Versicherte können nun auch Leistungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege und den Zuschlag für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen erhalten. Zudem ist es ihnen möglich, die Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohngruppen zu bekommen. Damit haben sie Zugang zu allen Leistungen im ambulanten Bereich, die auch Personen mit einer Pflegestufe zustehen. Das vereinfacht auch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.
Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf haben wir für pflegende Angehörige verbessert mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, kurz Familienpflegezeitgesetz. Das Gesetz gilt seit dem 01.01.2015.
Beschäftigte, die kurzfristig die Pflege einer oder eines nahen Angehörigen organisieren müssen, haben jetzt nicht nur das Recht auf eine Auszeit von bis zu zehn Arbeitstagen, sondern auch – sofern sie keinen sonstigen, vergleichbaren Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung haben – einen Anspruch auf ein Pflegeunterstützungsgeld. Zudem gilt ein Anspruch auf eine Pflegezeit (vollständige oder teilweise Freistellung) von bis zu sechs Monaten. Hinzu kommt der Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit (teilweise Freistellung). Insgesamt können Beschäftigte ihre Arbeitszeit 24 Monate lang auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren, um nahe Angehörige zuhause zu pflegen. Zur besseren Absicherung des Lebensunterhalts besteht während der Freistellung ein Anspruch auf ein zinsloses Darlehen. Damit entlasten wir Menschen, die die Familie und die Pflege von Angehörigen sowie ihren Beruf unter einen Hut bringen wollen. FOLIE 7
Neue Wohnformen werden besser unterstützt
Pflegebedürftige, die in einer ambulant betreuten Wohngruppe mit insgesamt mindestens drei Pflegebedürftigen wohnen und die eine Pflegekraft beschäftigen, erhalten einen Wohngruppenzuschlag von 205 Euro pro Monat je Pflegebedürftigem. Außerdem gibt es eine Anschubfinanzierung (bis zu 2.500 Euro je Pflegebedürftigem, maximal 10.000 Euro insgesamt je Wohngruppe) für die Gründung einer ambulant betreuten Pflege-Wohngruppe, die man durch das PSG I einfacher in Anspruch nehmen kann. Diese Leistungen stehen auch Personen in der sogenannten Pflegestufe 0 (insbesondere Demenzkranke) zur Verfügung. Deutlich aufgestockt haben wir zudem den Zuschuss für Umbaumaßnahmen. Wohngruppen können bis zu 16.000 Euro erhalten. Das hilft auch den neuen Wohnformen.
Mehr zusätzliche Betreuungskräfte in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen
Die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte erhöhen wir von rund 25.000 auf bis zu 45.000. Die Kosten dafür tragen die Pflegekassen. Die ergänzenden Betreuungsangebote durch zusätzliche Betreuungskräfte stehen allen Pflegebedürftigen offen – vor 2015 waren sie Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf (z. B. Demenzkranke) vorbehalten. Damit verbessern wir den Pflegealltag in den voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen.
Bessere Entlohnung der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen
Die Anerkennung der Wirtschaftlichkeit von tariflicher Entlohnung der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen in Vergütungsvereinbarungen haben wir gesetzlich festgeschrieben. Für Pflegeeinrichtungen setzen wir damit Anreize die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend besser zu entlohnen.
Mit dem Pflegevorsorgefonds wollen wir mögliche Beitragssteigerungen in der Zukunft besser abfedern. Pflege stärken heißt auch, Pflege nachhaltig zu sichern. Um die Beitragsbelastung künftiger Generationen und der jetzt jüngeren Menschen in den Jahren zu begrenzen, in denen die geburtenstarken Jahrgänge ins „Pflegealter“ kommen, haben wir einen Pflegevorsorgefonds in Form eines Sondervermögens eingerichtet, den die Bundesbank verwaltet.
Zweites Pflegestärkungsgesetz (PSG II)
Das Zweite Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) ist am 01.01.2016 in Kraft getreten. Das neue Begutachtungsverfahren und die Umstellung von Pflegestufe auf Pflegegrad gelten seit dem 01.01.2017.
Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken ist weggefallen. Im Mittelpunkt steht der individuelle Unterstützungsbedarf jedes Einzelnen. Dadurch haben wir die Pflegeversicherung auf eine neue Grundlage gestellt.
Erstmals erhalten alle Pflegebedürftigen einen gleichberechtigten Zugang zu Pflegeleistungen – unabhängig davon, ob sie an körperlichen Beschwerden oder an einer Demenz erkrankt sind. Mehr Hilfe für Pflegebedürftige, eine bessere Absicherung der vielen pflegenden Angehörigen und mehr Zeit für die Pflegekräfte – das erreichen wir mit diesem Gesetz. Das ist ein Meilenstein für die Pflegebedürftigen und alle, die in unserem Land tagtäglich ihr Bestes geben um für Pflegebedürftige da zu sein.
Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff gehören Minutenpflege und Defizitorientierung bald der Vergangenheit an. Stattdessen wird es eine Begutachtung geben, die ganz individuell beim einzelnen Menschen schaut, wie selbständig er seinen Alltag noch gestalten kann. Das ist ein Quantensprung. Zudem bekommt der Pflege-TÜV in seiner jetzigen Form ein klares Verfallsdatum. Es wird spätestens ab 2018 ein neues Qualitätsprüfungs- und Transparenzsystem geben, das endlich eine echte Orientierungshilfe bietet.
Pflegende Angehörige erhalten einen eigenen Anspruch auf Pflegeberatung. Wer Leistungen bei der Pflegeversicherung beantragt, erhält zudem automatisch das Angebot für eine Pflegeberatung. Die Rahmenverträge über die pflegerische Versorgung in den Ländern sind von den beteiligten Partnern der Selbstverwaltung an den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff anzupassen. Dazu gehören auch die Vorgaben zur Personalausstattung. Bis Mitte 2020 soll ein wissenschaftlich gesichertes Verfahren zur Personalbedarfsbemessung entwickelt werden.
Rund 2,7 Millionen Pflegebedürftige wurden zum 01.01. 2017 automatisch in einen der neuen Pflegegrade übergeleitet. Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen wurden automatisch von ihrer Pflegestufe in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. Menschen, bei denen eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz festgestellt wurde, wurden in den übernächsten Pflegegrad überführt. Alle, die bereits Pflegeleistungen erhalten haben, erhalten diese daher mindestens in gleichem Umfang weiter, die allermeisten erhalten mehr Unterstützung.
Körperliche, geistige und psychische Einschränkungen werden gleichermaßen erfasst und in die Einstufung einbezogen. Mit der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen gemessen und – mit unterschiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewertung zusammengeführt. Daraus ergibt sich die Einstufung in einen Pflegegrad. Die sechs Bereiche sind: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
Viele erhalten mehr Leistungen, niemand wird schlechter gestellt
Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird per Gesetz automatisch in das neue System übergeleitet. Niemand muss einen neuen Antrag auf Begutachtung stellen. So wird für die Betroffenen unnötiger zusätzlicher Aufwand vermieden. Dabei gilt: Alle, die bereits Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten, erhalten diese auch weiterhin mindestens in gleichem Umfang, die allermeisten erhalten sogar deutlich mehr.
Drittes Pflegestärkungsgesetz (PSG III)
Mit dem Dritten und vorerst letzten Pflegestärkungsgesetz wurde die Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zum 01.01.2017 federführend an die Kommunen übertragen und damit bundesweit deutlich mehr Beratungsstellen geschaffen. Die Kommunen sollen nun die Initiative für neue Pflegestützpunkte ergreifen. Bislang haben dies die Kranken- und Pflegekassen organisiert.
Pflegestützpunkte
Die meisten Pflegebedürftigen und Angehörigen finden sich in dem Dickicht aus Hilfsangeboten und den dazugehörigen Vorschriften nicht zurecht, insbesondere wenn Pflegefälle sehr plötzlich eintreten und die Versorgung geregelt werden muss. Welche Zuschüsse bekommt man, um eine Wohnung altengerecht umzubauen? Welches Pflegeheim ist geeignet? Wo bekommen Pflegebedürftige ehrenamtliche Hilfe? Zu solchen Fragen beraten Pflegestützpunkte.
Finanziert werden die Beratungsstellen zu jeweils einem Drittel von Kommunen oder Ländern, Krankenkassen und Pflegekassen. Nach einhelliger Meinung von Bund, Ländern und Kommunen gibt es bislang nicht genug Pflegestützpunkte in Deutschland. Kreise und kreisfreie Städte können von sich aus aktiv werden und von den Kranken- und Pflegekassen den Abschluss von Vereinbarungen zur Einrichtung von Pflegestützpunkten verlangen. Die Regelung soll bis Ende 2021 gelten. Die Kosten werden geteilt. Kommunen können eigenes Personal und Sachmittel für Aufbau und Betrieb der Stützpunkte einsetzen und anrechnen lassen.
In insgesamt 60 Modellvorhaben testen die Kommunen eine „Beratung zur Pflege, Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe und Altenhilfe aus einer Hand“. So sollen die kommunalen Beratungsangebote für die Pflege, die Sozialhilfe und für die Hilfen nach dem Bundesversorgungsgesetz verzahnt werden. Ziel: Die Beratungsgutscheine sollen möglichst schon auf Gemeindeebene eingelöst werden können. Die Modellvorhaben sollen nach dem Königsteiner Schlüssel unter den Ländern verteilt werden.
Mit dem PSG III gehen wir den eingeschlagenen Weg in der Pflege konsequent weiter. Mit den drei Pflegestärkungsgesetzen schaffen wir ein starkes und zuverlässiges Fundament für die Pflege. Wir ermöglichen damit ein aufeinander aufbauendes und sich ergänzendes Gesamtsystem, das Sicherheit vermittelt und Passgenauigkeit ermöglicht.
Im Pflegefall stehen Beratung und eine den persönlichen Bedarfen entsprechende Leistung schnell und zuverlässig zur Verfügung. Jeder kann sich auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, der Hilfe zur Pflege und die ganz direkten Angebote vor Ort in seiner Kommune verlassen. Und nicht zuletzt stärken wir in den Menschen die Sicherheit, in einer Gesellschaft zu leben, in der man Alter und Hilfebedürftigkeit nicht zu fürchten braucht.