Ehe für alle beschlossen – Gleichstellung erreicht!
30-06-2017 Die SPD will die Ehe für alle – und zwar jetzt, nicht „irgendwann“. Wer Verantwortung füreinander übernimmt und sich Solidarität verspricht, der soll auch heiraten dürfen. Gleiche Rechte und gleiche Pflichten in der Ehe muss es auch für gleichgeschlechtliche Paare geben. In Deutschland befürworten einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge 83 Prozent der Menschen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Diese gesellschaftlichen Änderungen in Bezug auf das aktuelle Familienbild rechtfertigen keine verfassungsrechtliche Sonderstellung der Ehe für heterosexuelle Paare. Und die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität bei der Ehe zu beenden, war längst überfällig. In der letzten Sitzungswoche dieser Legislatur ist uns gelungen, wofür wir und viele andere seit Jahren und Jahrzehnten gekämpft haben: Die völlige Gleichstellung homo- und heterosexueller Paare mit der Ehe für alle!
In namentlicher Abstimmung stimmten 393 Abgeordnete für den Gesetzentwurf des Bundesrates aus Rheinland-Pfalz. 623 Stimmen wurden insgesamt abgegeben. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) steht künftig: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen“. Damit erlangen schwule oder lesbische Ehepaare auch das volle Adoptionsrecht, was bedeutet: Sie können gemeinsam Kinder adoptieren.
Das ist ein gesellschaftspolitischer Meilenstein und ein großer Erfolg nach langer Blockade der Unionsparteien zu Lasten homosexueller Paare. Schon als die rot-grüne Koalition im Bund 2001 die eingetragene Lebenspartnerschaft durchsetzte, waren es die Konservativen in den Ländern, die das Gesetz im Bundesrat sabotierten, wo sie nur konnten. Seit 2011 war die Ehe für alle eine Forderung der SPD, 2013 stand sie in unserem Regierungsprogramm. Gegen die Aufnahme in den Koalitionsvertrag haben sich die Unionsparteien vehement gesperrt. Und sie waren es, die im Bundestag immer wieder verhindert haben, dass über die Ehe für alle abgestimmt werden kann. Zuletzt hatte sie die Union beim Koalitionsgipfel im März blockiert. Es war unser SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der in seiner Rede auf unserem Programmparteitag am 25. Juni die Ehe für alle zur Bedingung für eine künftige Koalition machte.
Fragen und Antworten zur Ehe für alle
Hat die SPD die Entscheidung des Deutschen Bundestages für die Ehe für alle übereilt und ohne umfassende Beratung herbeigeführt?
Ganz klar: Nein! Über die Öffnung der Ehe wird seit vielen Jahren diskutiert. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern insbesondere auch in den Parlamenten in Deutschland – auf Bundes- und auf Landesebene. Den ersten Gesetzentwurf hat die
SPD-Bundestagsfraktion in der 13. Wahlperiode 1998 vorgelegt und damit die politische Diskussion vorangetrieben. Über Jahre hinweg folgten immer wieder Initiativen, Gespräche und parlamentarische Debatten – gerade in der aktuellen Legislaturperiode wurde mehrfach im Plenum des Deutschen Bundestags über das Thema beraten, zuletzt am 17.5.2017. Im Rechtsausschuss haben wir am 28.9.2015 sogar eine Sachverständigenanhörung durchgeführt.
Mit unserem Koalitionspartner haben wir ebenfalls von Beginn bis zum Ende der Legislaturperiode das Gespräch gesucht. Angefangen von den Koalitionsverhandlungen, bei denen die Union nicht bereit war, sich für die Öffnung der Ehe auszusprechen bis hin zum letzten Koalitionsausschuss am 29.3.2017, bei dem die SPD das Thema beraten wollte. Auch diesen Vorschlag lehnte die Union ab, insbesondere war die Union immer gegen eine Grundgesetzänderung.
Muss für die Ehe für alle das Grundgesetz geändert werden?
Nein - die Auffassung, zur Öffnung der Ehe sei eine Grundgesetzänderung erforderlich, ist nicht zutreffend. Eine einfachgesetzliche Ausgestaltung im Bürgerlichen Gesetzbuch ist ausreichend. Der Begriff der Ehe ist im Grundgesetz selbst nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es deshalb zur Ausgestaltung des Begriffs einfachgesetzlicher Regelungen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch verortet sind. Dabei hat der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum, Form und Inhalt der Ehe zu bestimmen (vgl.
BVerfGE 31, 58 (79);
36, 146 (162);
81,1 (6f)). Die konkrete Ausgestaltung orientiert sich dabei an den gesellschaftlichen Verhältnissen und Auffassungen über den Ehebegriff. Diese wiederum unterliegen einem gesellschaftlichen Wandel, was konsequenterweise auch Auswirkungen auf den Verfassungsbegriff hat. Der Begriff der Ehe ist also wandelbar.
Seit Einführung des
Art. 6 GG haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse geändert. Die Ehe hat nach heute vorherrschender gesellschaftlicher Auffassung keine privilegierte Stellung mehr: Zusammenleben ohne Trauschein ist heute kein Makel, genauso wenig wie die Tatsache, dass Paare Kinder bekommen, ohne miteinander verheiratet zu sein oder heterosexuelle Paare heiraten, und bewusst kinderlos bleiben.
Kern der Ehe ist heute also das Bekenntnis der Partner, ein Leben lang füreinander einstehen zu wollen. Das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der Partner spielen dabei keine Rolle. Das Institut der Ehe und das der Lebenspartnerschaft sind insoweit funktionsgleich. Eine Ungleichbehandlung ist allein schon vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 GG nicht zu rechtfertigen.
Eine einfachgesetzliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist mit dem Grundgesetz also vereinbar, eine Verfassungsänderung ist hierfür nicht notwendig. Diese Rechtsauffassung wird von mehreren Expertinnen und Experten bekräftigt: Prof. Dr. Wapler,
Gutachten für die FES, Prof. Dr. Brosius-Gersdorf, Dreier-Kommentar zum Grundgesetz zu Art. 6. Auch die Mehrzahl der Sachverständigen der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am 28.9.2015 hielten die einfachgesetzliche Öffnung der Ehe für ausreichend.
Schadet die Erziehung homosexueller Paare der Entwicklung von Kindern oder dem Kindeswohl?
Definitiv nicht. Mehrere
wissenschaftliche Studien belegen: Ob es adoptierten Kindern gut geht, hängt nicht davon ab, ob die Eltern schwul, lesbisch oder heterosexuell sind, sondern wie viel Liebe und Zuneigung sie von ihren Adoptiveltern bekommen. Es kann keinen wesentlichen Unterschied machen, ob Kinder im Wege der Sukzessivadoption oder der „anfänglichen Adoption“ adoptiert werden. Denn in beiden Fällen wachsen sie bei homosexuellen Eltern auf.
Schließlich äußerte sich auch Frau Merkel beim Brigitte-Talk dahingehend, dass die Entscheidung eines Jugendamtes, einem lesbischen Paar acht Pflegekinder anzuvertrauen, nicht per se falsch sein könne und eine Kindeswohlgefährdung bedeuten könne.
Ist die Ehe für alle Türöffner für die Zulassung inzestuöser Ehen oder Vielehen?
Dieser Behauptung fehlt jegliche Grundlage. Genauso wenig wie sich aus dem Recht zur Ehe für heterosexuelle Paare ein Recht auf Inzest oder Vielehen ableiten lässt, ist dies bei gleichgeschlechtlichen Ehen der Fall.
Was ist dran am Vorwurf, die SPD würde andere wichtigere Themen zugunsten der Öffnung der Ehe vernachlässigen?
Nichts! Die SPD hat in der 18. Wahlperiode die wesentlichen Akzente der Großen Koalition gesetzt. Die
Bilanz der SPD kann sich sehen lassen: Mindestlohn, Frauenquote, Rente mit 63, mehr Investitionen in Kitaplätze, Nein heißt Nein im Sexualstrafrecht, das Pariser Klimaabkommen oder mehr Mittel für sozialen Wohnungsbau sind nur einige Beispiele. Dass wir darüber hinaus auch erfolgreich für die Öffnung der Ehe gekämpft haben, sollte uns nicht zum Vorwurf gemacht werden. Im Gegenteil: Uns ging es um die Betroffenen, die seit Jahrzehnten auf diesen Tag warten und gerade nicht um parteipolitische Manöver. Wir erledigen das Thema rasch und können uns mit ganzer Kraft den wichtigen Aufgaben widmen, die noch vor uns liegen, z.B. die Zuwanderung und Integration, sichere Renten oder die Zukunft Europas.
Hat die SPD einen Koalitions- oder Vertrauensbruch begangen?
Nein - wir stellen vielmehr die Position der CDU-Vorsitzenden Merkel zur Abstimmung. Bemerkenswert war, dass kein einziger Unionsabgeordneter im Rechtsausschuss für die neue Position der Kanzlerin zur Ehe für alle stimmte.
Martin Schulz wirkt: Nachdem unser Kanzlerkandidat auf dem Dortmunder Parteitag die Ehe für alle zur Bedingung eines SPD-Regierungseintritts gemacht hat, hat die Kanzlerin aus Machtkalkül – nicht aus innerer Überzeugung wie Martin Schulz und die SPD – einmal mehr Ihre Meinung kurzfristig komplett geändert.
Welche Konsequenzen folgen aus dem Gesetz zur Ehe für alle für eingetragene Lebenspartnerschaften?
Nach dem Bundesrats-Entwurf wird in § 20a Lebenspartnerschaftsgesetz die Möglichkeit der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe geschaffen. Die Umwandlung erfolgt durch Erklärung vor dem Standesbeamten. Nach Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes können „Lebenspartnerschaften ab Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr begründet werden.“
Das bedeutet, dass es künftig für bestehende Lebenspartnerschaften ein Umwandlungsrecht, jedoch keine Umwandlungspflicht geben wird. Wer also in der Vergangenheit eine Lebenspartnerschaft begründet hat, kann entweder die Umwandlung in eine Ehe anstreben, dann haben die Partner nach der Umwandlung die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Für den Fall, dass sie keine Umwandlung anstreben, bleibt es bei der Lebenspartnerschaft mit deren Rechtsfolgen (d.h. faktisch ohne Adoptionsrecht).