628.532 Menschen fordere bessere Versorgung
Wenn Sie in den letzten Monaten Ihrer Arztpraxis einen Besuch abgestattet haben, dann hatten Sie vermutlich die Gelegenheit, eine dort ausliegende Petition zu unterschreiben. Konkret forderte diese: „Die Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung zu verbessern.
Derzeit steht die Sicherstellung dieser Gesundheitsversorgung in Deutschland auf dem Spiel. Die wohnortnahe, flächendeckende und qualitativ hochwertige ambulante Versorgung rund um die Uhr war ein Wert, der unser Land ausgezeichnet hat und den die Bürgerinnen und Bürger schätzten. Jetzt aber stehen die Praxen vor dem Kollaps, sie arbeiten bis zum Anschlag und ihre Kräfte gehen zur Neige.“
So viele Unterzeichner wie nie
628.532 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben diesen Text und machten die Petition zur unterschriftenstärksten Petition in der Geschichte des Bundestages. Der Petent und Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, stellte in der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses fest: „Wir stehen vor einem Kipppunkt und haben große Sorgen, dass die Versorgung der Menschen durch die Praxen perspektivisch wegbricht und nicht mehr regenerierbar ist“. Das ambulante System werde seit Jahren kaputtgespart. Es fehle massiv an Personal. Der Bürokratieaufwand werde immer größer.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erschien persönlich als Vertreter des Gesundheitsministeriums, ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Unterzeichnern der Petition und dem Petitionsausschuss. Er bestätigte, dass es derzeit großen Reformbedarf gebe, widersprach aber der Kritik der Opposition, dass die Probleme erst mit Amtsantritt der derzeitigen Regierung begonnen hätten.
Für die aktuellen Probleme im deutschen Gesundheitssystem machte der Bundesgesundheitsminister Fehler aus der Vorgängerzeit verantwortlich. Probleme beim ärztlichen Nachwuchs seien auf zu wenige Medizinstudienplätze zurückzuführen, ein Ergebnis der wenig vorausschauenden Sparpolitik unter CDU/CSU. Die Zahl der Medizinstudienplätze hätte demnach schon seit langem um 5000 pro Jahr erhöht werden müssen. Trotz der nun durch die Ampelregierung neu geschaffenen Medizinstudienplätze „werden wir einen Arztmangel, wie es ihn jetzt schon bei Hausärzten gibt, bei fast allen Facharztgruppen haben“, sagte Lauterbach.
Fehler der Vergangenheit aufräumen
Außerdem werde in den Praxen nun auf Digitalisierung umgestellt. Von der elektronischen Patientenakte, so Lauterbach, habe der Arzt unmittelbare Vorteile. So würden unter anderem telemedizinische Leistungen auch abgerechnet. Als weitere Fehler der Vergangenheit benannte der Minister die Beibehaltung der Arzneimittelregresse und der Budgetierung. All dies gehe die jetzige Bundesregierung an und Lauterbach verwies auf das geplante Versorgungsstärkungsgesetz, das sich derzeit in der Koordinierung der Bundesregierung befindet und in Kürze dem Bundestag zugeleitet wird. Klar sei für ihn, dass es keinen Sinn mache, in die derzeit ineffektiven Strukturen mehr Geld zu geben.